[BUCH
BESTELLEN]
Grundlagentexte zum Zionismus
ALTNEULAND -
Der utopische Roman von Theodor Herzl
ERSTES BUCH:
Ein gebildeter und verzweifelter
junger Mann
Zweites Kapitel (b)
Champagner wurde hereingebracht. Schiffmann
stieß seinen Nachbar Löwenberg mit dem Ellbogen: "Jetzt wird's losgehen!"
"Was wird losgehen?" fragte Friedrich.
"Haben Sie's denn noch immer nicht heraus?"
Nein, Friedrich hatte es noch immer nicht
erraten. Aber im nächsten Augenblick wurde ihm die Gewißheit. Herr Löffler
klopfte mit dem Messer an sein Glas und erhob sich. Stille trat ein. Die
Damen lehnten sich zurück. Der Humorist Blau schob noch schnell einen Bissen
in den Mund, er kaute, während Papa Löffler sprach: "Meine hochverehrten
Freunde! Ich bin in der angenehmen Lage, Ihnen eine freudige Mitteilung zu
machen. Meine Tochter Ernestine hat sich mit Herrn Leopold Weinberger aus
Brünn, Mitchef der Firma Samuel Weinberger und Söhne, verlobt. Das Brautpaar
soll leben. Hoch!"
Hoch! Hoch! Hoch! Alle hatten sich erhoben.
Die Gläser klangen. Dann ging man um den Tisch herum, zu den Eltern, zum
Brautpaare, Glück wünschend. Auch Friedrich Löwenberg machte diesen Weg mit,
obwohl er eine Wolke vor den Augen hatte. Eine Sekunde lang war er vor
Ernestine gestanden und hatte mit zitternder Hand sein Glas dem ihrigen
genähert. Sie sah flüchtig über ihn hinweg.
Dann war die Stimmung an der Tafel fröhlich
geworden. Ein Trinkspruch folgte dem anderen. Schlesinger hielt eine
würdevolle Rede. Grün und Blau zeigten sich auf der Höhe ihrer
humoristischen Aufgabe, Grün verrenkte in seinem Toast noch mehr Silben als
gewöhnlich, und Blau machte allerlei taktlose Anspielungen. Die Gesellschaft
geriet in die beste Laune.
Friedrich hörte das alles nur undeutlich,
wie aus der Ferne, und es war ihm zumute, als befände er sich in einem
dichten Nebel, in dem man nichts sieht und schwer Atem holen kann.
Das Mahl ging zu Ende. Friedrich hatte den
einzigen Gedanken, fortzukommen, weit weg von all diesen Leuten. Er kam sich
überflüssig vor in diesem Zimmer, in dieser Stadt, in der Welt überhaupt.
Aber als er sich in dem kleinen Gedränge nach der Tafel unauffällig
hinausdrücken wollte, kam ihm Ernestine in den Weg. Lieblich war ihre
Stimme, als sie ihn anhielt: "Sie haben mir noch nichts gesagt, Herr
Doktor!" "Was soll ich Ihnen sagen, Fräulein Ernestine? ... Ich wünsch'
Ihnen Glück. Ja, ja — ich wünsche Ihnen viel Glück zu dieser Verlobung."
Aber
da war schon der Bräutigam wieder neben ihr, legte den Arm mit der Sicherheit
des Besitzers um ihre Taille und zog sie fort. Sie lächelte.
Fortsetzung...
[BUCH
BESTELLEN]
Grundlagentexte zum Zionismus
ALTNEULAND -
Der utopische Roman von Theodor Herzl |