Zweites Kapitel
NOCH EHE SIE RECHT WUSSTEN, WIE IHNEN GESCHAH, HATTEN Friedrich und
Kingscourt sich von David Littwak die Dammtreppe hinaufführen lassen. Erst als
sie oben auf dem Straßenniveau angelangt waren, begann ihnen der volle Eindruck
dieser wundervollen Stadt und ihres Verkehres aufzugehen.
Vor ihnen weitete sich ein großer Platz, den die hochgeschwungenen Arkaden
stattlicher Gebäude umgaben. In der Mitte war ein mit Gittern eingehegter
Palmengarten. Palmen, hier ein gewöhnlicher Baum, standen auch überall rechts
und links an den Rändern aller Straßen, die auf den Platz mündeten. Man sah
gleich, daß diese Palmen doppelten Dienst hatten. Bei Tage spendeten sie
Schatten, und nachts Licht, denn die elektrischen Straßenlampen hingen an ihnen
wie große gläserne Früchte. Das war die erste Einzelheit, auf die Kingscourt
ergötzt hinwies. Dann erkundigte er sich nach dem Charakter der Paläste, welche
den großen Platz umgaben. David Littwak antwortete, es seien die Bureauhäuser
verschiedener europäischer Seehandelsgesellschaften und Kolonialbanken. Der
Platz führte darum den Namen Völkerplatz. Das war er in der Tat, nicht nur wegen
der Gebäude, sondern auch wegen der Menschen, die ihn belebten.
Die Ankömmlinge staunten und starrten in das Gewühl. Es fand hier offenbar
ein Verkehr aller Völker statt, denn man sah die buntesten Trachten des
Morgenlandes zwischen den Gewändern des Okzidents. Chinesen, Perser, Araber
wandelten durch die geschäftige Menge. Vorherrschend war freilich die Kleidung
des Abendlandes, wie diese Stadt ja überhaupt einen durchaus europäischen
Eindruck machte. Man hatte glauben können, daß man sich in einem großen Hafen
Italiens befinde. Die Bläue des Himmels und des Meeres und das Leuchten der
Farben gemahnten an die glückliche Riviera. Nur waren die Gebäude viel moderner
und reinlicher, und der Straßenverkehr enthielt bei aller Lebhaftigkeit weniger
Lärm. Das kam von der gemessen ernsten Art der vielen Orientalen, aber auch
daher, daß keine Zugtiere in diesen Straßen waren. Man hörte weder den Hufschlag
von Pferden, noch auch Peitschenknallen oder Rädergerassel. Die Fahrdämme waren
so glatt wie die Fußsteige, und die Automobile hasteten auf ihren Gummirädern
ziemlich geräuschlos vorüber, nur mit einigem Getute der warnenden Signalhörner.
Ein Rollen über ihren Köpfen machten die Fremden aufschauen.
"Alle Deibel, was ist das?" schrie Kingscourt, indem er nach einem über den
Palmenwipfeln vorbeisausenden großen Eisenwagen wies, aus dessen Fenstern
Fahrgäste herunterblickten. Der Wagen halte die Räder nicht unten, sondern oben,
über dem Dach. Er hing und schwebte an einem mächtigen, eisernen Brückengeleise.
David Littwak erklärte:
"Das ist die elektrische Schwebebahn. Die müssen Sie doch auch in Europa
gesehen haben."
"Wir waren zwanzig Jahre nicht in Europa."
"Die Schwebebahn ist ja nichts Neues. Sie war schon in den neunziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts zwischen Barmen und Elberfeld im Betriebe. Wir haben
sie in unseren Städten gleich von vornherein eingerichtet, weil der
Massenverkehr so leichter und gefahrloser bewältigt werden kann. Der Bau war
auch billiger als der von Straßen- oder Hochbahnen."
"Erlauben Sie, erlauben Sie!" rief Kingscourt. "Sie sprechen von Städten! Es
gibt demnach in Palästina noch mehr solcher Städte?"
"Das wissen Sie nicht, meine Herren?"
"Nein," sagte Friedrich; "wir wissen weder das noch etwas anderes. Wir wissen
gar nichts. Wir waren zwanzig Jahre tot."
"Für tot hielt ich Sie freilich, lieber Herr Doktor!" sprach David Littwak,
indem er Friedrichs Hand nahm und noch einmal drückte.
"Haben Sie sich denn nach mir erkundigt? Ja, woher wissen Sie überhaupt
meinen Namen? Ich glaube doch, ihn damals nicht genannt zu haben."
"Als Sie sich unserem Danke entzogen, waren wir ganz trostlos. Ich dachte
mir, Sie seien vielleicht ein Stammgast des Cafe Birkenreis. Dort habe ich viele
Nächte vor der Tür auf Sie gewartet. Mein Vater auch."
"Lebt Ihr Vater noch?"
"Ja, Gott sei Dank, und meine Mutter auch, und Mirjam, die Sie als Wickelkind
sahen... Ich kam endlich auf den Einfall, Sie dem Kellner des Kaffeehauses zu
beschreiben. Er erkannte Sie nach meiner Schilderung sofort und nannte mir Ihren
Namen. Aber wie groß war mein Schmerz, als der Mann hinzufügte, Sie seien bei
einer Bergbesteigung verunglückt, und die Blätter hätten Ihren Tod gemeldet...
Ich kann Ihnen sagen, Herr Doktor, wir haben um Sie viel geweint. Wir haben auch
immer pünktlich die Jahrzeit für Sie angezündet an dem Tage, den ich aus den
Zeitungen herausgefunden hatte."
"Jahrzeit? Was ist das?" fragte Kingscourt.
Friedrich gab Auskunft:
"Ein Brauch der Juden. Am Sterbetage des Hingeschiedenen zünden seine
Angehörigen zum Gedächtnis ein Licht an."
"Oh, ich habe Ihnen viel, viel zu erzählen, lieber Herr Doktor!" sagte David
Littwak. "Aber hier werden wir nicht stehen bleiben. Vor allem bringe ich Sie in
mein Haus, das Sie von jetzt ab als Ihr eigenes betrachten werden... Kommen Sie,
meine Herren!"
"Und unser Boot, unsere Jacht?"
David Littwak wandte sich zu einem livrierten Diener, der ihm in kurzer
Entfernung nachgefolgt war, und gab leise einige Befehle, worauf der Diener
verschwand. Jetzt sprach David zu seinen Gästen:
"Alles ist besorgt. Das Boot wird nach der Jacht zurückkehren, und in
Friedrichsheim wird man Ihre Aufträge abholen."
"Wo?"
"In Friedrichsheim. So heißt mein Haus. Sie ahnen schon, wem zu Ehren? Gehen
wir, meine Herren! Das heißt, wir werden fahren."
Er hatte bei aller Liebenswürdigkeit etwas Bestimmtes in seinem Ton.
Kingscourt murmelte aber nicht unzufrieden:
"Fritze, der übernimmt das Kommando! Wollen mal sehen!"
David Littwak hatte ein Automobil herangewinkt. Er bat die Herren
einzusteigen. Doch als er ihnen folgen wollte, wurde er von jemandem angerufen:
"Herr Littwak, Herr Littwak."
Er drehte sich um:
"Ah, Sie sind's? Was wünschen Sie?"
"In den Morgenblättern steht, daß Sie heute in Akko eine Versammlung
abhalten. Ist es nicht wahr?"
"Ich wollte eben hinüberfahren. Aber ich muß die Versammlung absagen. Ich
habe heute Wichtigeres vor. Richtig, ich will noch rasch hinübertelephonieren."
"Darf ich es vielleicht für Sie tun, Herr Littwak?"
"Ja, wenn Sie so freundlich sein wollen."
"Wahrscheinlich einen besonderen Besuch erhalten, Herr Littwak?" forschte der
Eifrige indem er mit dem linken Daumen über die Schulter hinweg nach dem Wagen
deutete.
David lächelte, antwortete aber nicht und nickte nur mit dem Kopfe. Dann rief
er dem hintenauf sitzenden Heizer zu: "Nach Friedrichsheim !"
"Dieses Gesicht kommt mir bekannt vor," sagte Friedrich, als der Wagen
davonrollte. "Ich muß es in einer anderen Form gesehen haben, ohne grauen
Backenbart, ohne den Kneifer auf der Nase."
"Ja, er ist auch aus Wien, er hat mir oft von Ihnen erzählen müssen. Ich
wollte ihn nur jetzt nicht herankommen lassen. Heute gehören Sie mir allein...
Er war auch ein Gast des Cafe Birkenreis. Nun raten Sie!" ' Eine Erinnerung
blitzte auf.
"Schiffmann!" sagte Friedrich lachend. "Wie? Der ist auch hier?"
"Der und viele, viele andere Juden aus allen Städten und Ländern."
Kingscourt, der neugierig nach allen Seiten hinausblickte, warf jetzt die
Frage ein:
"Wollen Sie vielleicht sagen, daß die Rückkehr der Juden nach Palästina
stattgefunden hat?"
"Freilich will ich das sagen."
"Donner und Gloria!" schrie der Alte. "Sie sind aus Europa ausgetrieben
worden?"
David erklärte freundlich lächelnd:
"Nun, Sie dürfen sich das nicht so wie im Mittelalter vorstellen. Wenigstens
in den Kulturländern hatte es nicht diesen Charakter. Die Operation war zumeist
unblutig. Den Juden wurde am Ende des neunzehnten und zu Anfang dieses
Jahrhunderts das Verbleiben an ihren Wohnorten unleidlich gemacht."
"Aha! Rausgeekelt?"
"Die Verfolgungen waren sozialer und ökonomischer Art. Boykott im
Geschäftsleben, Aushungerung der Arbeiter, Ächtung in den freien Berufen, von
den feineren, moralischen Leiden gar nicht zu sprechen, die ein höher
organisierter Jude um die Jahrhundertwende zu erdulden hatte. Die
Judenfeindschaft war mit den neuesten, wie mit den ältesten Mitteln tätig. Das
Blutmärchen wurde aufgefrischt, aber gleichzeitig hieß es auch, daß die Juden
die Presse — wie einst im Mittelalter den Brunnen — vergifteten. Die Juden
wurden von den Arbeitern gehaßt, als Lohnverderber, wenn sie ihre Genossen
waren; als Ausbeuter, wann sie die Unternehmer waren. Sie wurden gehaßt, ob sie
arm oder reich oder mittelständig waren. Man nahm ihnen das Erwerben, aber auch
das Geldausgeben übel. Sie sollten weder produzieren noch konsumieren. Von den
Staatsämtern wurden sie zurückgestoßen, vor den Gerichten hatten sie das
Vorurteil gegen sich, überall im bürgerlichen Leben fanden sie Kränkungen. Unter
diesen Umstanden war es klar, daß sie entweder die Todfeinde einer von
Ungerechtigkeit strotzenden Gesellschaft werden oder nach einem Zufluchtsort
ausblicken mußten. Das letztere ist geschehen, und hier sind wir. Wir haben uns
gerettet."
"Altneuland!" murmelte Friedrich.
"Jawohl, das ist es," sagte David Littwak ernst und bewegt. "Auf unserem
alten teuren Boden haben wir uns eine neue Gesellschaft eingerichtet. Sie werden
sie kennenlernen, meine Herren."
"Der Deibel, das ist furchtbar interessant. Da gibt es riesig viel zu sehen.
Ich wollte Sie nicht stören in Ihrer geschätzten Anklageschrift gegen das olle
Europa, sonst hätte ich Sie nach einigen Bauten gefragt, an denen wir
vorbeigefahren sind."
"Ich werde Ihnen alles zeigen."
"Hören Sie 'mal, geschätzter Mann und Jude, ich will Ihnen zuerst ein
Geständnis ablegen, sonst bereuen Sie nachher Ihre Aufmerksamkeiten. Ich bin
nämlich kein Judo. He? Nu werden Sie mich wohl 'rausschmeißen oder gelinde
rausekeln, was?"
"Aber Kingscourt!" wehrte Friedrich ab.
Ruhig sprach David Littwak:
"Daß Sie kein Jude sind, erkannte ich schon an einer Ihrer früheren Fragen.
Lassen Sie sich sagen, daß meine Genossen und ich keinen Unterschied zwischen
den Menschen machen. Wir fragen nicht, welchen Glaubens und welcher Rasse einer
ist. Ein Mensch soll er sein, das genügt uns."
"Millionen Bomben und Haubitzen! Und alle Bewohner dieser Gegend denken wie
Sie?"
"Nein," bekannte David offen; "das sage ich nicht. Es gibt noch andere
Strömungen."
"Aha! Das dachte ich mir auch gleich, verehrter Menschenfreund!"
"Ich will Sie jetzt nicht mit unseren politischen Kämpfen langweilen. Die
sind so wie überall in der Welt Aber das kann ich Ihnen sagen: die Grundsätze
der Menschlichkeit werden bei uns allgemein in Ehren gehalten. Und was die
Religionen betrifft. Sie finden bei uns neben unseren Tempeln die Gotteshäuser
von Christen, Mohammedanern, Buddhisten und Brahmanen. Die beiden letzteren
Glaubensgesellschaften sind allerdings nur in den Seestädten vertreten, zum
Beispiel hier in Haifa, in Tyrus, Sidon und in den größeren Orten längs der
Bahn, die nach dem Euphrat führt, etwa in Damaskus und Tadmor."
Friedrich staunte:
"Tadmor! Die Stadt Palmyra lebt wieder?"
David nickte bestätigend:
"Das große Schauspiel des allgemeinen Gottesfriedens werden Sie aber in
Jerusalem genießen."
"Mein Kopf, mein Kopf !" stöhnte Kingscourt. "Wie soll man denn das alles auf
einmal behalten?"
Sie waren an einer Straßenkreuzung angelangt, wo der größere Wagenverkehr
eine augenblickliche Stauung verursachte. Das Automobil mußte halten. Da
erkannten sie, wie praktisch die Schwebebahn war. Unter den dicken eisernen
Doppelgeleisen sausten die großen Kasten hoch in der Straßenmitte dahin, ohne
die Fußgänger zu stören oder von ihnen gestört zu werden.
Von diesem Punkte ihres gezwungenen Aufenthaltes blickten
sie in mehrere Straßen. Die Mannigfaltigkeit der Baustile erfreuten ihre
Augen. Dann ging die Fahrt weiter durch lebhafte Stadtteile. Die Wohnhäuser
waren zumeist klein und zierlich, offenbar nur für den Gebrauch der einzelnen
Familie berechnet, wie man sie in belgischen Städten sieht. Um so stattlicher
ragten die Kaufhäuser und die öffentlichen Gebäude, die als solche leicht
erkennbar waren. David Littwak nannte ihnen einige im Vorüberfahren: das Seeamt,
das Handelsamt, die Arbeitsvermittlung, die Unterrichtsverwaltung, das Amt für
Elektrizität. Ein großer heiterer Palast, dessen Vorderseite eine
freskengeschmückte Loggia hatte, fesselte ihre Aufmerksamkeit.
"Das ist das Bauamt," sagte David. "Hier haust Steineck, unser erster
Architekt. Von ihm ist der Stadtplan entworfen worden."
"Der Mann hat eine große Aufgabe," sprach Friedrich.
"Groß, jawohl, aber auch freudig. Er durfte aus dem Vollen schaffen, wie
übrigens wir alle. Nie in der Geschichte sind Städte so rasch und herrlich
erbaut worden, wie bei uns, weil man nie vorher solche technische Mittel zur
Verfügung hatte. Die Leistungsfähigkeit der Kulturmenschheit war ja in dieser
Beziehung schon am Ende des neunzehnten Jahrhunderts kolossal. Wir brauchten nur
die bekannten Dinge zu uns herüber zu verpflanzen. Wie das geschehen ist, werde
ich Ihnen später noch erzählen."
Sie waren jetzt in eine Villengegend der Stadt geraten. Der Fahrweg stieg an.
Sie befanden sich auf dem Karmel. Hier standen schmucke Schlößchen inmitten
duftender Gärten. An einzelnen Häusern maurischer Bauart bemerkten sie
Holzgitter von engem Geflechte vor den Fenstern.
David kam der Frage zuvor:
"Hier wohnen einige vornehme Mohammedaner. Da sehen Sie gerade meinen Freund
Reschid Bey."
Vor dem schmiedeeisernen Tore eines Gartens, an dem sie vorbeifuhren, stand
ein schöner Mann von etwa fünfunddreißig Jahren. Zur dunklen europäischen
Kleidung trug er das rote Fez. Er grüßte nach orientalischer Art, indem er mit
der Rechten den Luftschnörkel machte, der das Aufheben und Küssen des Staubes
bedeutet. David rief ihm einige Worte in türkischer Sprache zu, worauf Reschid
mit leicht norddeutscher Betonung zurückgab:
"Wünsche eine recht anjenehme Unterhaltung!"
Kingscourt riß die Augen auf:
"Was ist denn das für'n Muselmännchen?"
David lachte:
"Er hat in Berlin studiert Sein Vater war einer derjenigen, die den Vorteil
der Judeneinwanderung sofort begriffen. Er machte unseren ökonomischen Aufstieg
mit und wurde reich. Reschid ist übrigens auch Mitglied unserer neuen
Gesellschaft."
"Der neuen Gesellschaft?" wiederholte Friedrich. "Was ist das
für eine?"
Kingscourt setzte hinzu:
"Hochgeliebter Mann, uns müssen Sie wie neugeborene Kälber in allem
Wissenswertem unterweisen! Wir kennen weder die alte noch die neue
Gesellschaft."
"Doch!" sagte David. "Die alte kennen oder kannten Sie. Unsere neue werde ich
Ihnen vorstellen, bis wir mehr Muße haben. Jetzt ist dazu nicht mehr Zeit. Wir
sind gleich dort, wo Sie sich fortab zu Hause fühlen sollen."
Immer freier öffnete sich der Ausblick auf dem geschlängelten Wege. Nun lagen
Stadt und Hafen von Haifa, die weite Bucht mit dem Gartenkranze und am anderen
Ende Akko mit seinem Berghintergrunde vor den entzückten Augen der Fahrenden.
Und nun waren sie ganz oben auf der Nordspitze des Karmel. Rechts und links,
nach Norden und Süden dehnte sich das herrliche Gestade von Palästina,
und vor ihnen weitete sich blau und goldig die endlose Fläche des Meeres. Weiße
Schaumkämme flatterten wie Möwen darüber hin, dem hellbraunen Strande zu.
David hatte den Wagen halten lassen, damit sie den einzigen Anblick genössen.
Er stieg aus, und die beiden folgten ihm. Er wandte sich zu
Friedrich:
"Sehen Sie, Herr Doktor, das ist das Land unserer Väter!"
Und Friedrich wußte nicht, warum ihm bei diesen einfachen Worten des jungen
Mannes die Augen von Tränen warm wurden. Doch war es eine andere Stimmung, als
in jener Nacht von Jerusalem, zwanzig Jahre früher. Damals hatte er den
mondbeglänzten Tod vor sich, und jetzt ein sonnenfreudiges Leben. Er blickte
David an. Was war aus dem bettelhaften Judenjungen geworden! Ein frei und ernst
schauender, gesunder, gebildeter Mann, der fest in seinen eigenen Schuhen zu
stehen schien. Noch hatte David kaum eine Andeutung über seine eigenen
Verhältnisse gemacht, aber
es mochte ihm nicht schlecht ergehen, da er in dieser eleganten Gegend
wohnte, wo es nur Villen und Schlösser gab. Er mußte aber auch ein angesehener
Bürger sein, denn sie hatten unterwegs bemerkt, wie viele Leute ihn grüßten.
Selbst ältere Personen kamen ihm mit dem Gruße zuvor.
Jetzt
stand er mit einem Ausdrucke tiefen Glückes in den Mienen auf der Karmelhöhe und
sah hin über Land und Meer. Und jetzt erst glaubte Friedrich in dem freien Manne
den merkwürdigen Knaben von der Brigittenauer Lände zu erkennen, der einst
gesagt hatte, er wolle zurück nach dem Lande Israels!