Die Rolle Großbritanniens bei der Herausbildung des arabischen
Nationalismus und Antisemitismus
Der britische Historiker Arnold Toynbee (1889-1975),
Studiendirektor im Königlichen Institut für internationale Beziehungen und
einflußreicher Berater der britischen Regierung und ihrer imperialistischen
Politik während der britischen Mandatszeit über Palästina, beschreibt die Juden
als Fossilien, eine veraltete Ausgabe, als Relikte eines altertümlichen
Glaubens, der schon längst hätte verschwinden sollen. Eine der größten
Entwicklungen des 20. Jahrhunderts werde die Verbreitung des Buddhismus in der
westlichen Welt sein. (5) Wenn er heute doch die
kopftuchtragende, vom deutschen Verfassungsgericht darin bestätigte Frau
Fereshda Ludin sehen könnte!
Von 1880 bis 1914 wandern 65 000 der von Arnold Toynbee
abfällig als Relikte charakterisierten Juden der Verfolgungen in Rußland,
Galizien, Rumänien und Polen wegen wieder nach Palästina ein. Auch aus dem Jemen
wandern Juden nach Pälestina zurück. Viele Araber lehnen diese Einwanderung und
erst recht den Zionismus auf Grund ihres Verständnisses von den Dhimmis ab.
Diese sichern noch dem ärmsten Araber ein Überlegenheitsgefühl. Wenn sich nun
diese Dhimmis als gleichberechtigt ihnen gegenüber "aufspielen", bricht dieses
jahrhundertealte System zusammen. Hinzu kommen die den islamischen Gesetzen
widersprechenden Auffassungen der meisten Juden von liberaler Demokratie,
Gleichstellung der Frau, weltlicher Erziehung und sogar sozialistischen Ideen,
womit das politische und religiöse Herrschaftsmodell des Islam in Frage gestellt
wird.
Dies sowie die politischen Entwicklungen in der arabischen
Region seit dem während des Ersten Weltkrieges beginnenden Zerfall des
osmanischen Reiches, und dadurch bedingt die Verhandlungen Großbritanniens und
Frankreichs zur Aufteilung des Gebietes unter sich, abgeschlossen durch das
Sykes-Picot Abkommen, vom 16. Mai 1916, (6) tragen
wesentlich dazu bei, daß in den arabischen Staaten von dort herrschenden
Familien ein arabischer Nationalismus sowie die Opposition gegen den Zionismus
und die Verfolgung der Juden geschürt werden. (7)
Die britische Reaktion darauf ist widersprüchlich. Sie folgt
den ebenfalls widersprüchlichen britischen Interessen in der Region.
Entsprechend ist ihre Einstellung zu den Juden, ihrer Einwanderung und gar der
Bildung eines jüdischen Staates gegenüber. Während in der politischen Elite eine
starke jüdische Präsenz in Palästina als für Großbritannien positiv gewertet
wird, glauben hochrangige antijüdische Verwaltungsbeamte, daß die Juden so
mächtig werden könnten in Palästina, daß sie nicht mehr länger auf die
Anforderungen Großbritanniens einzugehen bräuchten. Die Beobachtung der
letzteren sei zutreffend, schreibt Joel Bainerman auf Grund der
Forschungsergebnisse von William Ziff. Die jüdische nationale Unabhängigkeit
hätte den britischen Herren nicht so gedient wie das ihre korrupten arabischen
Marionetten tun. (8)
Diese Erkenntnis verfestigt sich bei den Briten vor allem seit
den Einwanderungen nach Ende des Ersten Weltkrieges, da russische, stark
kommunistisch geprägte, etwa 2 500 Mann starke "Arbeitsbataillone" sowie, 1924
bis 1931, etwa 80 000 hauptsächlich polnische Juden aus dem Mittelstand,
Intellektuelle, Geschäftsleute und Händler nach Palästina kommen. (7)
Mit der Balfour Declaration, vom 2. November 1917 (9),
kommen die Briten den Vorstellungen der Zionisten zur Gründung eines eigenen
Staates in Palästina zunächst weitgehend entgegen. Diese Deklaration wird in den
arabischen Staaten von weltlich orientierten liberalen Familien und Fraktionen
durchaus unterstützt, denn man verspricht sich durch die Einwanderung der Juden
einen wirtschaftlichen Aufschwung und politische Liberalisierung.
Im April 1920 lassen sich Briten und Franzosen vom Völkerbund
die arabische Region, mit Ausnahme des Hedjaz als Mandatsgebiet zuteilen. Im
selben Jahr unterstützen die Briten einen Aufstand Feisals, des haschemitischen
Königs von Syrien, gegen die Franzosen finanziell und mit Waffen, da ein
"syrischer Kongreß" Palästina zum untrennbaren Bestandteil Syriens erklärt.
Gleichzeitig arrangieren sie mit Hilfe ihrer Generäle in Jerusalem ein
antijüdisches Pogrom, um zu beweisen, daß die Balfour Declaration auf Grund
arabischer Feindseligkeit nicht durchführbar sei. William Ziff dagegen bringt in
seinem Buch zahlreiche Belege für gutes Einvernehmen sowohl des Muftis von
Jerusalem als auch arabischer Scheichs und der levantinischen Bevölkerung mit
den Juden sowie, daß es bis zum Frühjahr 1920 keine gewalttätigen
Ausschreitungen der palästinensischen Araber gegen jüdische Einwanderung gibt.
1922 wird Palästina britisches Mandatsgebiet. Die
Mandatsverwaltung geht daran, die Einstellung der Araber zu ändern. Sie weist
die erstaunten Araber Palästinas und Ägyptens an, den Juden keinerlei
Zugeständnisse zu machen. Sie gründet eine Muslimisch-Christliche Gesellschaft
und nutzt sie als Waffe gegen die Zionisten. Junge Araber lehrt sie
Nationalismus, damit diese den jüdischen Herausforderungen entgegentreten
können. In London kontaktiert sie verläßliche antijüdische Kreise, um mit ihnen
eine Verbindung einzugehen, die bis heute besteht. Die Araber werden nicht nur
angestachelt und beraten, sondern sie werden mit finanziellen Mitteln
ausgestattet, und ihre Argumente schreiben ihnen hochrangige Briten. Es ist das
alles eine gute Investition zur Sicherung der geostrategischen und
wirtschaftlichen Interessen Großbritanniens in der Region, (8) zur Sicherung des
Weges nach Indien und der Ausbeutung des Erdöls. Im Vertrag von Mossul zum
Beispiel teilen Großbrittanien, Frankreich und die USA, im Jahr 1926, die Iraq
Petrol Company untereinander auf: 52,5% für eine britische und je 21,25% für
eine französische und eine US-amerikanische Erdölfirma.
Später werden in verschiedenen White Papers, von 1922, 1930
und 1939, die von ihnen selbst geschaffenen Zustände durch Kommissionen
untersucht, einzig, um daraus eine Politik zur Eindämmung der jüdischen
Ambitionen zu entwickeln. Das letzte dieser White Paper, von 1939, dreht die
Ergebnisse der Peel Kommission zur Teilung Palästinas in einen arabischen und
einen jüdischen Staat vollständig um. Die noch im Jahre 1937 erwogene Teilung
Palästinas wird in dem Dokument für nicht machbar erklärt, sondern Palästina
solle weder ein jüdischer noch ein arabischer Staat sein. Ein unabhängiger Staat
solle in zehn Jahren errichtet werden. Jüdische Einwanderung wird für die ersten
fünf Jahre auf 75 000 begrenzt, später solle Einwanderung nur noch mit
arabischem Einverständnis erfolgen. Das zu einer Zeit, als in Deutschland
bereits die Judenverfolgungen auf Hochtouren laufen. Als Grund für die
Begrenzung wird die "wirtschaftliche Absorptionsfähigkeit des Staates"
vorgeschoben. (10)
Fortsetzung:
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Anmerkung:
(5) The Jews are also genuinely 'a back number' in another
sense. Like the Samaritans, they are surviving representatives of a Syriac
civilization that otherwise became extinct as long ago as the third or second
century B.C. , if the disuse of the Aramaic koine may be taken as a criterion of
the date at which the Syriac Civilization faded out of existence. The Syriac
Civilization as a whole, like its contemporary the Hellenic Civilization, is
otherwise 'dead' today except in so far as it still lives in its legacy to the
present-day Christian and Islamic civilizations. If it is true - as it seems to
be true - that at the western end of the Old World, in contrast to its eastern
end, there has been a series of successive 'generations' of civilizations since
the species of human society that we call 'civilization' made its first
appearance, then it is true that the Jews and Judaism are a relic of a
'generation' that, except for the Samaritans and the Parsees, is otherwise
extinct. This is the historical fact that I had in mind when, in volume i of
this book, I docketed the Parsees and the Jews (among other present-day
communities) with the label 'fossils'. My choice of this particular word may not
have been a felicitous one for conveying the historical fact that I wanted to
describe. But the fact is a fact, and some name or other for describing it is
needed.
Arnold Toynbee, A Study of History Volume XII Reconsiderations, Royal Institute
of International Affairs, Oxford University Press, London 1961
XV. The History and Prospects of the Jews
1. The Relativity of the Interpretation of Jewish History, S.479
Zitiert in: Arnold Toynbee on Judaism and on World Government - Peter Myers,
March 20, 2003; update April 19, 2003
http://users.cyberone.com.au/myers/toynbee.html
(6) The Sykes-Picot agreement,
http://www.iap.org/sykespicot.htm
(7) Zur Einwanderung siehe: Homeward Bound. The Immigration
and Settlement Wing,
http://www.wzo.org.il/home/aliya.htm
Zur Entwicklung des arabischen Nationalismus siehe:
Deniz Togar "Theories on the Rise of Arab Nationalism: George Antonius in
Comparative Perspective", Presented at University of Chicago 16th Annual Middle
East Theory and History Conference, May 10-11,2001
http://cas.uchicago.edu/workshops/meht/DenizTogar.pdf
(8) Were Jews and Arabs Destined To Hate Each Other? by Joel
Bainerman. The Wisdom Fund News&Views, May 14, 1998. Rezension des Buches von
William Ziff "The Rape of Palestine", erstmalig veröffentlicht im Jahre 1938 (!)
nach einigen Jahren intensivster Recherchen des Autors
http://www.twf.org/News/Y1998/JewsArabs.html
(9) The Balfour Declaration, November 2, 1917
www.mfa.gov.il/mfa/go.asp?MFAH00pp0
(10) White Papers. The Jewish Virtual Library
http://www.us-israel.org/jsource/History/white.html
hagalil.com 14-10-03 |