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Judentum und Israel
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Visionen und Wirklichkeit:
Kibuz und Moschaw

Der "Ansturm" der jüdischen Gemeinschaft in Eretz Israel auf die Wildnis und die rasend schnelle Entwicklung der israelischen Landwirtschaft fand zu einer Zeit statt, die voller aufregender sozialer Experimente steckte, und die auch auf andere Ebenen des israelischen Erlebnisses wirkte.

Im Hintergrund: ein Kamel; im Vordergrund: Krüge und ein Faß. Die Feier des Wassers im Kibutz Urim, im westlichen Negew, kurz nach seiner Gründung 1949.

Zu Beginn waren die "Halutzim" ("Pioniere") der Zweiten Alija-Welle, diejenigen jungen Leute, die Eretz Israel von 1903 an aus Osteuropa erreichten, und die den tiefen Wunsch hatten, sich landwirtschaftlich zu betätigen, vor große Probleme gestellt. Als Idealisten waren sie körperliche Arbeit nicht gewohnt. Jeder Tag stellte sie vor einen schweren Kampf. Bei dem Versuch, ihre wirtschaftliche Not zu überwinden, schlossen sich viele von ihnen Kommunen an - kleinen Gruppen, die ein Gemeindeleben führten, das auf die eine oder andere Art einen Lebenstil repräsentierte, der ihren sozialistischen Anschauungen und ihren Träumen von einer Verbesserung der menschlichen Gesellschaft entsprach. Doch es mußten Jahre vergehen, bevor sie in der Lage waren, all dies in ideologische Terminologien zu stecken.

Ein bedeutendes gesellschaftliches Experiment, ist der erste Kibutz, Deganija, im Jahre 1910.

Zunächst brach 1910 eine intensive Auseinandersetzung zwischen den Kommunen, deren Mitglieder auf dem zionistischen Bauernhof im Jordantal arbeiteten, und dem Direktor des Hofes aus. Dr. Arthur Ruppin, der Mann, der in diesen Tagen für die zionistischen Siedlungs-Aktivitäten verantwortlich war, machte den Vorschlag, daß die Mitglieder der Kommunen versuchen sollten, die Hälfte des Bauernhofes, östlich des Jordans, selbst zu leiten. Ein Jahr darauf, als sich zeigte, daß das Experiment erfolgreich war, entschieden die Beteiligten, es fortzusetzen. Zehn alleinstehende Männer und zwei alleinstehende Frauen vereinbarten jetzt, zusammen zu arbeiten und alles untereinander zu teilen ("Von jedem, entsprechend seiner Möglichkeiten, für jeden, entsprechend seiner Bedürfnisse") und in jeder Hinsicht besonderen Wert auf die Wichtigkeit der gegenseitigen Hilfe zu legen. Zu Beginn dachten sie, daß sie auf Familienleben und Kinder verzichten würden, aber schon kurze Zeit später kamen sie zu anderen Rückschlüssen. Als das erste Paar heiratete und Kinder bekam, war auf dem Land, auf dem sie lebten, bereits die kleine Siedlung namens Deganija entstanden. Zu Beginn nannten sie diese Lebensart eine "Kwutza" - eine Gruppe - und sie stellten sicher, daß die Gruppe klein bleiben würde - eine Art Familie. Später unternahmen sie neue Versuche und bildeten große "Kwuzot" (Plural von Kwuza), die "Kibutzim" genannt wurden. In dieser Phase, nach dem I. Weltkrieg, sprachen sie schon von sorgfältiger geplanten Initiativen, im Sinne von sozialen und ideologischen Reformen und hinsichtlich ihrer Pflicht der Nation gegenüber.

(Gegenüber) Vom Pflug (Hasidim, 1937) zum Traktor - Israels Landwirtschaft hat einen bemerkenswerten Erfolg errungen.

Über die Jahre hinweg wurde klar, daß der ursprüngliche Traum von völliger Gleichheit nicht zu realisieren war. Unterdessen entstanden im ganzen Land Kibutzim. Es ist sehr gut möglich, daß gerade die soziale Struktur die Gründung neuer Kibutzim und den Erwerb von Land an jedem Ort, der für die Schaffung der zionistischen Landkarte geeignet war, ermöglichte. Ihr Sinn für Zusammenarbeit, ihr Pioniergeist und ihre fortwährende Sorge um Neuerungen half den Kibutzmitgliedern, Feindschaften abzuwehren, Not zu überwinden und sich gegen Gefahren zur Wehr zu setzten, denen ein einzelner kaum hätte standhalten können. Die Kibutzim dienten auch als Basis für die Formierung der "Hagana" der Verteidigungsarmee des Yischuw vor der Staatsgründung, besonders für die aktivierten Einheiten, dem "Palmach" Die Kibutzim versteckten "illegale" Olim, absorbierten Jugendgruppen, die dem Holocaust entkommen waren oder wirtschaftlich schwachen Klassen angehörten, und förderten, trainierten und aktivierten Geheimagenten für Sonderprojekte im Dienste der Nation. Die Kibutzim boten darüberhinaus besonders günstige Voraussetzungen für die Entwicklung von landwirtschaftlichen Neuerungen. Von Anfang an übernahmen sie die modernsten Methoden und zeigten große Flexibilität bei der Entwicklung der Wirtschaft. Dadurch gelang es ihnen, sich bald von einer fast vollständigen Abhändigkeit von der Landwirtschaft zu lösen und sich in Richtung industrielle Unternehmen und Dienstleistungen, wo sie u.a. die modernsten Fabriken errichteten, auszudehnen. Die Statistiken sind beeindruckend.
So erzeugten die Kibuzim beispielsweise Mitte der 80er Jahre,


Ein großer Anteil der Kibutz-Einnahmen werden in die Erziehung und Ausbildung der Jugend investiert.

Die Mitgliederversammlung ist die einzige und wichtigste Institution innerhalb eines Kibutz.

als die Kibutz-Bevölkerung (in 271 Kibutzim) ungefähr 3,5 Prozent der gesamten jüdischen Bevölkerung in Israel ausmachte, 40 Prozent aller landwirtschaftlichen Produkte, 6,5 Prozent aller Industrieprodukte und 7,5 Prozent des industriellen Exports.
Die Kibutz-Gesellschaft widmete lange Zeit ihre Mittel der Erziehung. Über Jahre hinweg wurden alle Kinder zusammen in besonderen Räumen aufgezogen. Parallel dazu stand die Aufteilung anderer Familienfunktionen (so z.B. der gemeinsame Speiseraum des Kibutz'). Doch in den vergangenen zwei Jahrzehnten gingen die meisten Kibutzim dazu über, die Kinder in ihrem Elternhaus schlafen zu lassen, und auch der gemeinschaftliche Speisesaal büßte an Bedeutung ein. Nicht weniger nennenswert ist der Beitrag der Kibutzim im Bereich des kulturellen Schaffens. Zahlreiche Autoren und Künstler gingen aus den Kibutzim hervor, wo auch Verlage etabliert wurden und neue ideenreiche Wege, die Feiertage und Feste zu begehen, wie die jährliche Zeremonie, die sie für das Schneiden der ersten Gerstenfrucht ("Omer") der Saison veranstalten und das Einbringen der ersten Frucht ("Bikkurim") des Jahres.
Über 80 Jahre nachdem die Kibutzbewegung begann, ist ihre Zukunft als soziales Experiment noch immer unklar. Zahlreiche Israelis verbringen ihre Jugendjahre in den Kibutzim, nur um schließlich zu erkennen, daß ihnen die Lebensweise im Kibutz nicht entspricht - dazu gehören Mitglieder der zweiten, dritten und vierten Generation der Kibutzim. Der große jüdische Philosoph Martin Buber, definierte das gesamte Kibutz-Unternehmen als "ein unglaubliches nicht-Mißlingen" Es gibt aber auch solche, die es als "einen unglaublichen Erfolg" betrachten.

(Gegenüber) Melonen-Ernte in einem Kibutz im Emek Jezreel.


Innerhalb der Kibutz-Bewegung entwickelte sich ferner eine andere Form der gemeinschaftlichen Siedlung, in der der Umfang an Kooperation begrenzter ist - der "Moschaw Owdim" der auf eine Idee zurückgeht, die in den 20er Jahren unter Mitgliedern der Deganija- und Kinneret-(See Genezareth) Kwuzot aufkam. Die jungen Leute strebten nach einer größeren wirtschaftlichen Unabhängigkeit und wollten gleichzeitig auf die anderen Vorzüge des Teilens nicht verzichten. Verschiedene Siedlungen wurden errichtet, deren Grundlage Landstücke waren, die den einzelnen Familien gehörten. Die Moschaw-Mitglieder einigten sich auf drei grundsätzliche Prinzipien: keine Beschäftigung von außenstehenden Hilfskräften, gegenseitige Hilfe und Kooperation beim Absatz der Produkte sowie beim Erwerb von Produktionsmitteln.

Die "Moschawim" (Plural von Moschaw) verbreiteten sich im ganzen Land. Die dieser Siedlungsform eigene Natur bestimmte, wo sich die Moschawim entwickeln konnten und wo nicht, und in welchem Umfang sie für Aufgaben, die die gesamte Gemeinschaft betreffen, eingesetzt werden konnten. So gab es beispielsweise Gegenden, die sich nur für landwirtschaftliche Einheiten eigneten, die eine kollektive Produktion praktizierten, und die für kleine Landeinheiten, die individuell bearbeitet wurden, nicht die Voraussetzungen boten. Darüberhinaus schwächte die wirtschaftliche Teilung innerhalb der Moschawim die sozialen Verbindungen unter seinen Mitgliedern. Es wurde zunehmend schwieriger für die Moschawim, ihrem Prinzip, ohne fremde Hilfe zu arbeiten, treu zu bleiben. Auch aus dem kommunalen Absatz ergaben sich Probleme, und die Bereitschaft zur gegenseitigen Hilfe sank. Außerdem waren sie aufgrund ihrer familiär-orientierten Struktur weniger flexibel als die Kibutzim, wenn es darum ging, wirtschaftliche Neuerungen zu übernehmen. Sie hatten es deshalb schwer, beispielsweise Industrien zu entwickeln.
Und doch haben auch die Moschawim eine Reihe von Erfolgen zu verbuchen. Zuallererst dienten viele von ihnen als Basis für erfolgreiche landwirtschaftliche Initiativen. Außerdem boten die Moschawim nach 1948 einen geeigneten sozialen Rahmen für die Integration von vielen Olim, für die Zerstreuung der Bevölkerung im Land und einer Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion.

Der "Zirkel" von Nahalel (gemalt von Yehoshua Brandstätter wurde zum Symbol des Moschaws - eine israelische Erfindung, die eine wichtige Rolle bei der Immigranten-Integration spielte.

siehe auch:
Die Idee des Kibbutz
Kibbuzim und Moschawim
Der Kibbuz als Vorreiter zionistischer Siedlungsarbeit

hagalil.com 06-02-04

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