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Judentum und Israel
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Die Bedeutung der zionistischen Idee im Leben der Jüdin

Von Rosa Pomeranz, Tarnopol

"Und sie brachten ihr Geschmeide, ihr Gold und Silber dar, zum Bau der Bundeslade" — berichtet die heilige Schrift von den Frauen Israels. Das ist zugleich die erste Kunde, gleichsam Zeugnis und Bestätigung für die Hingabe des jüdischen Weibes an ideale Interessen, für ihre Opferwilligkeit im Dienste einer grossen, sie ganz erfüllenden Idee.

Dem ersten leuchtenden Ideale ihres Volkes, der Religion — die uns Sittlichkeit, Gerechtigkeit, den Glauben an ein ewiges Sein bedeutet, galt die Begeisterung der vorexilischen Jüdin.

Im Golus, da uns durch innige Verschmelzung die Religion längst zur Volkssache geworden war, sehen wir die Jüdin, von dem hohen Standpunkte der Patriotin, in dem katholischen Spanien alles erdulden: Verfolgung, Erniedrigung, Folter, Verbannung aus einer lieb gewordenen zweiten Heimat, ja sogar den grausigen Flammentod zieht sie freudig dem Verrate an Volk und Glauben, an den historischen Hoffnungen Israels vor.

Die Charakteristik der jüdischen Frau während des Exils, bis tief in das 18. Jahrhundert, lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Fromme Liebe zur Schrift und Tradition, unentwegte Treue für die Vergangenheit und Gegenwart ihrer Nation, fester Glaube an die verheissene, glückliche und glanzvolle Zukunft von Volk und Vaterland.

In diesen Gefühlen und Gedanken sind die wechselnden Generationen gross geworden, haben sie das jeweilige junge Geschlecht erzogen.

Judentum und Judenheit — das waren die ruhenden Pole, um welche das Geistes- und Seelenleben der Jüdin des Exils kreiste.

Die Welt von aussen trat in ihren Gesichtskreis nur mit ihrem wahren Antlitz: dem der Feindschaft und des blutigen Hasses. Die Jüdin fürchtete diese Welt — sonst nahm sie keine Notiz von ihr.

Da kam das grosse und so verhängnisvolle Ereignis der Judenemanzipation. Verhängnisvoll — nicht in seinem Wesen, wohl aber in den Folgen seiner falsch aufgefassten Bedeutung. Das Wort: "Emanzipation", d. h. Befreiung von ungerechtem Zwange, verwechselten die führenden Geister der Judenheit und in blinder Nachahmung ein grosser Teil des Volkes mit dem Begriffe der "Assimilation", d. h. Verschmelzung. Indem sie und ihre Nachkommen versuchten (und noch heute zum Teile darin fortfahren), in Sprache, Lebensführung und äusserer Erscheinung den Völkern, in deren Mitte sie lebten, zu gleichen, glaubten sie die — seit dem Fall Jerusalems für uns, seit mehr als einem Jahrhundert auch für die anderen — bestehende "Judenfrage" gelöst zu haben.

Der erhabene Dreiklang: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" lockte den Juden aus der engen, aber relativ sicheren und liebevollen Hut des dunklen Ghetto an die helle, aber kalte Sonne der neuen Zeit.

Und Hand in Hand mit dem Manne tritt auch das jüdische Weib in die vermeintliche Freiheit, in das neue Leben hinaus. Sie lernt nun das Fremde kennen — und lieben; sie beginnt allmählich — gleich dem jüdischen Manne — teilzunehmen an allgemeinen Zeit- und Völkerfragen, an den grossen Bewegungen des öffentlichen Lebens.

Ihre geistige Empfänglichkeit, ihr Temperament und die echt jüdische Hingabe an ideale Strebungen machen sie, der Reihe nach überall: bei den Liberalen, Sozialisten, Frauenrechtlerinnen etc. zu einer wertvollen, wenn auch selten wahrhaft liebreich aufgenommenen Parteigängerin. Sie vergisst ganz, dass ihr eigenes Volk als solches noch vorhanden ist, dass es seine eigenen Leiden, Wünsche und Hoffnungen hat und ihrer liebtätigen Hilfe mindestens ebenso dringend bedarf, wie die Fremden.

Im Laufe eines einzigen Jahrhunderts hat sie die gewaltige und so beklagenswerte Umwandlung durchgemacht: aus der Jüdin, die in blinder Ergebenheit 3000 jährige Traditionen fromm verehrt und gläubig gehütet, die eifersüchtig einen Schatz bewachte und ihren Kindern hinterliess, ohne seinen Wert genau gekannt zu haben, der ihr überhaupt als unermesslich galt, die sich eins fühlte mit allem, was dem Judentume angehört, aus jener Rassenjüdin, die wenig gewusst, aber auch nichts vergessen hatte, wurde nunmehr unter dem Ansturm einer neuen Ära und grundfalscher, verhängnisvoller Anleitung ein Allerweltsgeschöpf, das überall Bescheid weiss, nur nicht im eigenen Hause, das überströmende Gefühle für alle hegt, nur nicht für seine in Wahrheit Nächsten, die eines Blutes und Wesens mit ihm sind. Ein Geschöpf, das mit Adlerblicken die Vorgänge im geistigen, sozialen und politischen Leben des Universums erspäht und zu denselben eifrigst Stellung nimmt — nicht aber die haarsträubenden Verhältnisse bei ihrem eigenen Volke, das ihr — wenn sie zufällig daran denkt — als eine Religionsgemeinschaft erscheint. Mit der Religion aber hat sich bekanntlich "das Zeitalter der Naturwissenschaften, der Entdeckungen, der freiheitlichen Bestrebungen auf allen Gebieten längst abgefunden." Der Jude ward Mensch und Bürger, Konnationale der neugewonnenen Brüder! Was konnte oder wollte er noch anderes sein ?"

Da — erst leise, dann immer lauter — erklang im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts der schrille Ton einer hässlichen Glocke, hier marktschreierisch lärmend, dort diskret, doch nicht minder markdurchzitternd: "Radau-" und "Salon"-Antisemitismus.

Die Jüdin war zuerst verblüfft, dann erstaunt, zuletzt erschreckt — nur nicht belehrt durch die zwar nicht neue, doch längst von ihr totgeglaubte Erscheinung. Sie hat alle traurigen Wirkungen derselben am eigenen Leib und Geist erfahren müssen und die Besten — die Denkenden und Fühlenden ihres Geschlechtes — stehen nun da entblösst von allen Menschheitsidealen, wie ein blütenberaubter Baum in einer entgötterten Welt.

Nur was Herdentier oder verkörperter, blindseinwollender Starrsinn ist, folgt noch den verschiedenen Fahnen, aber ohne Freudigkeit, ohne das mächtige Gefühl voller Zugehörigkeit.

Muss schon eine derartige innere Haltlosigkeit der jüdischen Frau als einem Kulturmenschen zur Qual werden,  wie entsetzlich gestaltet sich ihre Lage als Mutter, als Erzieherin der Jugend, der sie das höchste, weil unvergängliche Gut zu verleihen hat: ihr Liebe und Begeisterung für ein hehres, fleckenloses Ideal in die Seele pflanzen, den erwachenden Geist für den Dienst der Idee bilden und stärken soll?!

Die Unglückliche tritt da vor die schwerwiegendste Gewissensfrage.

Wohlgemerkt: Ich spreche von derjenigen Jüdin, die unter keinen Umständen gewillt ist, für sich oder ihre Kinder eine problematische Sicherheit vor der moralischen oder materiellen Judennot im Taufbecken zu suchen.

Darf sie ihrem Kinde von einem bloss religiösen Judentum sprechen, in dessen Dienste es leben und sterben muss ? Sie, die oft selber kaum eine blosse Ahnung von ihrer Religion, und sei es nur als Eitus, viel weniger von dem tiefen Gehalt der jüdischen Gotteslehre hat!

Darf sie ferner mit gutem Gewissen und ruhigen Herzens ihr Kind als Angehörigen der Nation, unter der sie zufällig lebt, erziehen ?

Ich abstrahiere von der bei den Juden leider so häufigen Erscheinung, dass die Kinder jahrelang als Russen oder Deutsche etc. erzogen werden, um dann plötzlich in Engländer oder Amerikaner verwandelt zu werden.

Abgesehen davon: hört denn die "eingeborene" und eingesessene, im Lande verbleibende Jüdin nicht den gellenden, bei jeder Gelegenheit ihr ins Ohr geschrieenen Ruf: "Jude!" — trotz aller seitens der Juden angenommenen, ja sogar in sich verarbeiteten National- und Landeskultur.

Unsere Kinder sind eben keine Deutsche, Franzosen, Polen etc. Sie werden es nie sein! Der Beweise dafür gibt es fast zu viel — der sprechendste bleibt wohl das oben angeführte, rasche und leichte Aufgeben, resp. "Vertauschen" der Nationalität beim Juden. Sehr mit Unrecht wird ihm dies übel genommen. Verwerflich bleibt nur die erste Suggestion, Selbsttäuschung oder Heuchelei. Das andere ist bloss eine begreifliche Folgeerscheinung.

Darf es ferner die jüdische Mutter der Gegenwart wagen, ihre Kinder konfessionslos und international, lediglich für den Dienst allgemeiner Menschheits- und Fortschrittsideale zu erziehen ? Darf sie es wagen, die grausige, blutige Erscheinung unserer Zeit, die man "Judenfrage" nennt, mit all den Schrecknissen, die sie im Gefolge hat, zu übersehen, totzuschweigen vor sich selber, sowie vor denen, für die sie die schwerste Verantwortung trägt?

Darf sie auch nur einen Augenblick vergessen, dass sie bei ihren wechselnden Idealen, ebenso wie in ihrer häufigen Gleichgültigkeit nur so lange verharren kann, als es den "Anderen" gefällt, und dass ein jedesmaliges, brutales Aufrütteln aus Wahn und Indolenz Ströme jüdischen Blutes, ungezählte Tränen fliessen macht und tausende zertrümmerter Existenzen schafft — darunter oft diejenigen ihrer eigenen Kinder!! ....

Kann sie übersehen, dass sie — ob "Deutsche", "Französin", "Polin", ob Sozialistin, Frauenrechtlerin, freisinnige Fortschrittlerin — für die Anderen nur stets die "Jüdin" bleibt?! Sie und die ihrigen?! Und dass jene "Anderen" ihr Geschick bestimmen, so lange sie es nicht selbst, als Jüdin tut — und nur als Jüdin!

Gerades, logisches Denken und natürliches Empfinden, ein unbefangener Blick für das Bleibende in der Erscheinungen Flucht müssen die Jüdin mit der Notwendigkeit einer Elementarkraft zur Anerkennung — eigentlich zur Wiedererkennung der eigenen, der jüdischen Nation, drängen.

Diese einfache, so selbstverständliche Tatsache des jüdisch-nationalen Standpunktes aber verändert mit einem Schlage die ganze, künstlich aufgebaute, von Verkünstelung und Unnatur erfüllte Welt der modernen Jüdin. Sie, die bislang mit ihrem Denken und Fühlen gleichsam in der Luft geschwebt, von jeder Strömung mit fortgerissen, von einem Sturme stets unfehlbar zerschmettert — sie spürt mit einem Male festen Boden unter ihrem  geistigen  und   moralischen Ich, eine weite, solide, tragfähige Fläche, die Raum gibt allen, die zu uns gehören. Kind und Kindeskind neben Ahn und Eltern stehend mit sicherem Fusse, ohne Gefahr des Straucheins, ohne Angst, den "Anderen" unter die Füsse zu geraten.

Der Judenfeindschaft und Verachtung, diesem — leider stehenden Programmpunkte in der kulturellen Entwicklung der Völker — stellen wir das nicht minder bleibende Gefühl des Judenstolzes, des nationalen Selbstbewusstseins entgegen.

Und während wir mit den erborgten, stets wechselnden Idealen der Bettler blieben, dem jeder Hund an die mageren Beine fuhr, den zerschlissenen Rock zerfetzte, erheben uns der Wahrheitsdrang und edle Mut, "zu scheinen, was wir sind", d. h. volle, ganze Juden — zur Höhe der Sterne, die der Kläffer vergebens anbellt.

Doch ist das Bewusstsein und die laute offene Anerkennung der jüdischen Nationalität kein Ideal, vielmehr ein historisches, also unleugbares Faktum, das ein Jahrhundert lang von einem Teile des Volkes infolge einer psychologisch nicht ganz unbegreiflichen Verirrung — oder Verwirrung — verleugnet, sogar geleugnet wurde.

Zwar gewinnt die jüdische Mutter schon an dieser Umkehr vom falschen Pfade, von Lüge und Selbstbetrug einen immensen moralischen Stützpunkt für ihre hohe Mission. Wahrheit und Klarheit ziehen ein, wo bislang optische Täuschung, ein sinn betörendes Dämmerlicht den geistigen Blick umflorte. Unnennbare Leiden, schmerzliche Verlegenheiten in der Erziehung verschwinden wie durch ein Zauberwort.

Wer denkt nicht an jenes, in tausend Varianten vorkommende Zwiegespräch: "Mama, ist es wahr, dass ich ein Jude bin? Und warum?" fragt unter Tränen über den vermeintlichen Schimpf das Söhnchen. — "Wer hat's gesagt? Du bist ein guter Deutsche!" beruhigt Mütterchen ihren Liebling. — "Ach, die Jungens in der Schule rufen es mir zu . . ." usw. Nun, ich mag mich in die Verfassung einer solchen jüdischen Mutter lieber nicht hineindenken.

Das und noch Schlimmeres ist vorüber in dem Momente, da unsere Kinder in dem Gedanken und Empfinden der nationalen Zugehörigkeit zum jüdischen Volke, in der Erkenntnis des hohen geschichtlichen, ethischen, kulturellen und sozialen Wertes des Judentums heranwachsen werden.

Die so in Aufrichtigkeit und Mut, in Erkenntnis und Treue erzogene Generation wird nie mehr — im Golus — den verhängnisvollen, weil nutzlosen Versuch machen, "die Feinde zu lieben."

Aber sie wird die Gefühls- und Handlungsweise der Gastvölker, die oft tiefliegenden Gründe und Impulse der jeweiligen Machtfaktoren in ihrem Verhalten zum Judentum zu begreifen und danach ihr eigenes Tun einzurichten suchen.

Damit wird diese neue Generation als Hauptmacht der Judenheit unfehlbar zu der grossen Vorhut stossen, die Art und Ziel des Handelns bereits gewonnen und als zionistische Idee und Bewegung zu ihrem Lebensinhalte gemacht hat.

Der Zionismus ist die notwendige unausbleibliche Folgerung und Betätigung des national-jüdischen Bewusstseins.

Dem historischen, gleichsam ruhenden Faktum des Volkstums gibt er die belebende, bewegende Idee.

Und das ist das zweite ungeahnte, unschätzbare neue Moment im Leben und Wirken der modernen Jüdin als Mutter und Erzieherin.

Indem sie ihrem Kinde die Nation wiedergibt, hat sie es frei gemacht — frei im Geiste! Und es damit zugleich vor unsagbar bitteren, endlosen Enttäuschungen bewahrt.

Um es glücklich und reich zu machen — führt sie ihr Kind dem Zionismus zu! Das heisst: sie gibt seinem ganzen Leben ein erhabenes Ideal und Ziel, einen Inhalt, der über Einzelnes und Einzelne hinausragend, auch das gemeinmenschliche Streben adelt, mit des Alltags Mühe und Hasten versöhnt, die Seele des Individuums erfüllt mit Wünschen und Hoffnungen für ungezählte Generationen, sein Denken beflügelt in kühnen Zukunftsplänen, seine geistigen und materiellen Mittel "als dienendes Glied" einem Ganzen zuwenden lässt, das ebenso ganz sein eigen ist, wie es das teuerste, kostbarste Erbe seiner Nachkommen bleibt.

In der Erziehung ihres Kindes für das Judentum und den Zionismus steht der jüdischen Mutter das glückliche Moment zur Seite, dass sie nicht Umsturz, sondern Aufbau, nicht Vernichtung, sondern Schöpfung, nicht blutigen Kampf, nur friedliches Wirken lehrt.

Das jüdische Volk ist in der Gegenwart die einzige hochzivilisierte Nation, die im Programm ihrer Bewegung: "Wiedergeburt von Volk und Vaterland" — ein brachliegendes, herrliches Arbeitsfeld vor sich, ausschliesslich für sich hat. Ihm ward das Götterschicksal, einen Schöpfertag zu erleben.

Die hehre Aufgabe der jüdischen Frau ist es nun, die junge Generation zur Vollbringung des gigantischen Werkes würdig auszurüsten, ihre seelischen, geistigen und physischen Kräfte im beständigen Hinblick auf diese hohe Bestimmung zu entwickeln, sie mit heiliger Begeisterung für ihre geschichtliche Mission, mit wahrer Selbstachtung als Träger derselben zu erfüllen.

Wahrlich, dieses Lebenswerk der jüdischen Frau ist des Neides der Edelsten wert! ....

in: Lazar Schön (Hrsg.): Die Stimme der Wahrheit. Jahrbuch für wissenschaftlichen Zionismus. Erster Jahrgang, Würzburg 1905, S. 329-333.

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