Theodor Herzl (1860-1904)
(Benjamin
Seew Herzl)
Theodor
Herzl wurde 1860 in Budapest geboren. Seine Familie lebte nicht mehr
traditionell, sondern "religiös aufgeklärt", assimilierte sich jedoch nicht
an die magyarische Mehrheit, sondern pflegte eine weltbürgerlich deutsche
Kultur. Herzl besuchte zuerst die jüdische Grundschule, wechselte dann auf
die städtische Realschule und das evangelische Gymnasium. Schon als Kind
zeigte Herzl großes Interesse am Schreiben einerseits, er gründete mit 14
den Schreibklub "Wir", und Technologie andererseits.
1878 starb Herzls ein Jahr ältere
Schwester Pauline, ein schwerer Schlag für die Familie und Theodor im
Besonderen. Die Eltern entschlossen sich daraufhin, nach Wien zu
übersiedeln, wo Herzl, trotz der Absicht Schriftsteller zu werden, zunächst
ein Jurastudium aufnahm. 1881 schloss er sich der schlagenden
Studentenbewegung Albia an, verließ sie jedoch zwei Jahre später aus Protest
gegen deren antisemitische Ausrichtung.
Herzl schloss sein Studium 1884 mit
einer Promotion ab, musste jedoch bald feststellen, dass die
Berufsaussichten für
Juden in seinem Fach wenig Spielraum ließen. Er verlegte sich daher
ganz aufs Schreiben und verfasste eine Serie von Feuilletons, die ihm
schließlich die Tür zu einer der bedeutendsten europäischen Tageszeitungen,
der "Neuen Freien Presse", öffneten. Herzl verfasste zudem zahlreiche
Theaterstücke, die jedoch nur mäßig erfolgreich blieben.
1889 heiratete Herzl Julia Naschauer.
Die Ehe war nicht glücklich und hielt wohl nur durch die zahlreichen Phasen
der räumlichen Trennung. Herzl und Julia hatten drei Kinder: Pauline, Hans
und Trude.
Herzl mit seinen Kindern um 1900.
1891 bekam er den begehrten Posten des
Pariser Korrespondenten der "Neue Freie Presse". In Paris geriet er, wenn
auch zunächst nur als Beobachter, zum ersten mal in die Politik. Seine
Erfahrungen bei der Berichterstattung über die
Dreyfus-Affäre waren einer der entscheidenden Momente, die aus dem
assimilierten Wiener Salon-Juden einen Zionisten machten. Die öffentliche
und erniedrigende Degradierung des - unschuldigen - jüdischen Offiziers ließ
die Pariser "Tod den Juden!" durch die Straßen schreien. Die "Judenfrage"
hatte Herzl jedoch bereits lange Zeit beschäftigt, mindestens seit seiner
Lektüre von Eugen Dührings "Die Judenfrage als Rassen-, Sitten- und
Kulturfrage" 1882. Er war nicht nur selbst mit Antisemitismus konfrontiert
worden, sondern musste auch beobachten, wie die liberale Ordnung in
Österreich durch die zunehmenden Wahlerfolge des Antisemiten Luegers ins
Wanken geriet. 1893 war Herzl zu dem Schluss gelangt, daß man die Judenfrage
nicht alleine mit Vernunft lösen könne, wie es etwa der "Verein zur Abwehr
des Antisemitismus" versuchte, denn die Zeit habe bereits gezeigt, dass man
dem Judenhass mit rationalen Argumenten nicht begegnen könne. In dieser
frühen Phase erwog Herzl zunächst eine Massenkonversion aller Juden vor der
Stephanskirche in Wien, verwarf dies jedoch schnell, da ihm klar war, dass
dies dem Antisemitismus keinen Einhalt gebieten würde. Auch Herzls Drama
"Das neue Ghetto", das er 1894 fertig stellte, spiegelt seine Erkenntnis
wider, dass Assimilation und Konversion die Judenfrage nicht beheben können.
Im Mai 1895 schrieb Herzl zunächst an
den jüdischen Philanthropen Baron Maurice de Hirsch und stellte ihm bei
einem persönlichen Treffen seine Idee vor. Der Baron war von Herzls Plänen
jedoch nicht beeindruckt. Herzl arbeitete seine Skizze für dieses Treffen
und einen Brief, den er dem Baron im Anschluss gesandt hatte, schließlich
weiter aus und vollendete im Juni 1895 seine programmatische Schrift "Der
Judenstaat". Im Juli kehrte er als Redakteur für den Kulturteil der "Neuen
Freien Presse" nach Wien zurück und las seinen Entwurf verschiedenen
Freunden und prominenten jüdischen Persönlichkeiten vor. Dabei er stieß er
zum größten Teil auf Ablehnung, sein Freund Friedrich Schiff sah darin sogar
die Auswirkungen eines Nervenzusammenbruchs. Allein Max Nordau stimmte
Herzls Überlegungen sofort und überzeugt zu.
Nach einer weiteren Überarbeitung
erschien schließlich in Wien am 14. Februar 1896 "Der Judenstaat. Versuch
einer modernen Lösung der Judenfrage". Noch im selben Jahr erschienen
Übersetzungen in englisch, französisch, russisch und hebräisch. Das Buch
wurde insgesamt in 18 Sprachen übersetzt und erschien in mehr als 80
Ausgaben.
"Der Gedanke, den ich in dieser Schrift
ausführe, ist ein uralter. Es ist die Herstellung des Judenstaates",
schreibt Herzl in der Vorrede. Aus der Überzeugung, die Juden seien ein
Volk, und der Bedrohung des Antisemitismus trotz den Versuchen, sich der
Umgebung zu assimilieren, sei die einzige Lösung der Judenfrage die Gründung
eines "Judenstaates". Herzl entwirft dabei detailliert die Pläne zu Aufbau,
Masseneinwanderung, Finanzierung und Gemeinwesen dieses Staates. Dabei
schlug er als mögliches Territorium Palästina oder Argentinien vor.
"Der Judenstaat" wurde sehr
unterschiedlich aufgenommen. Die meisten Juden in Westeuropa lehnten seine
Idee strikt ab. Seine Gegner waren nicht nur assimilierte Juden, sondern
auch orthodoxe Juden, die den Zionismus im Widerspruch zu den messianischen
Verheißungen im Judentum sahen. Er wurde verlacht und verspottet, so schrieb
z.B. Anton Bettelheim in den "Münchner Allgemeinen Nachrichten" vom
"Faschingstraum eines durch den Judenrausch verkaterten Feuilletonisten". Zu
seinen frühsten Anhängern zählten die jüdischen Jugend- und
Studentenbewegung. Vor allem aber in Osteuropa konnte Herzl bald begeisterte
Anhänger finden.
Herzl
auf den Trümmern des Tempels in Jerusalem, eine Karikatur aus der
Damenspende des "Concordia"-Balls von 1897. "Concordia" war die
wichtigste Wiener Schriftsteller- und Journalistenvereinigung, der
vermutlich auch Theodor Herzl angehört hat. Die Zeichnung stammt von
Theo Zasche, das Gedicht von Julius Bauer:
"Von Sudermann hat er den Bart,/
Die Ironie von Heine,/
Doch sein Talent von starker Art/
Gehört ihm ganz alleine.
Er sieht ein Ziel, ein Ziel so weit,/
Im Träumen, wie im Wachen:/
Er denkt daran, in dieser Zeit/
Mit Juden Staat zu machen!" |
Herzl begann sofort für seine Pläne
Unterstützung in der Politik zu suchen und begab sich auf die ersten seiner
zahllosen Reisen durch Europa auf der Suche nach Unterstützung für die
zionistische Sache. Im Juni 1896 reiste er erstmals nach Konstantinopel. Im
Juni 1897 gründete er die Wochenzeitung "Die Welt" als zionistisches Organ
und gab dafür über die Jahre sein Privatvermögen hin.
Für August 1897 hatte Herzl den
Ersten
Zionistenkongress einberufen. Ursprünglich in München geplant, was am
Widerstand der Jüdischen Gemeinde scheiterte, trat der Kongress am 29.
August 1897 im Stadtcasino von Basel zusammen. Der Kongress verabschiedete
das sog. Baseler Programm, das "für das jüdische Volk die Schaffung einer
öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina" forderte.
Im Rückblick auf dieses Ereignis
notierte Herzl die berühmt gewordenen Worte in sein Tagebuch: "Fasse ich den
Baseler Kongreß in ein Wort zusammen – das ich mich hüten werde, öffentlich
auszusprechen – so ist es dieses: in Basel habe ich den Judenstaat
gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universales
Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, jedenfalls in fünfzig wird
es jeder einsehen." Tatsächlich sollten nur wenig mehr als fünfzig Jahre
versgehen, bis David Ben Gurion am
14. Mai 1948 die
Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel verlas, unter einem Bild von
Theodor Herzl.
Herzl versuchte nun unermüdlich auf
diplomatischem Wege, die Sympathie der Herrscher Europas zu gewinnen. Bei
einem Zusammentreffen mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II. gelang es ihm
eine Audienz während dessen Besuchs in Palästina zu erhalten.
Herzl
schiffte daraufhin gemeinsam mit einer kleinen zionistischen Delegation nach
Palästina über (Bild rechts), wo er die jüdischen Kolonien Mikwe Israel,
Rischon leZion, Nes Ziona and Rechovot besuchte. In Mikwe Israel traf er auf
den Kaiser und seine Entourage und erhielt schließlich am Stadtrand von
Jerusalem seine Audienz, die jedoch für Herzl enttäuschend verlief. Auch
seine politischen Bemühungen in Konstantinopel blieben erfolglos. Herzl
wandte sich daraufhin an Großbritannien und traf zu Verhandlungen mit Joseph
Chamberlain, dem britischen Kolonialminister, und anderen Politikern
zusammen. Herzl erhielt schließlich den Vorschlag einer jüdischen
Autonomieregion im ost-afrikanischen Uganda.
Das Jahr 1903 brachte die schwierige
Situation der russischen Juden zum Eskalieren, das Pogrom von Kishinew
schockierte die Juden in ganz Europa. Unter diesem Eindruck legte Herzl auf
dem Sechsten Zionistenkongreß den britischen Uganda-Plan vor. Uganda sollte
dabei immer nur eine vorübergehende Lösung als Zufluchtsstätte für russische
Juden, ein "Nachtasyl" wie Max Nordau sagte, sein. Dennoch löste der
Vorschlag große Kontroversen auf dem Kongress aus und führte fast zur
Spaltung der Bewegung. Herzl konnte dies durch eine dramatische Rede
verhindern. Der Uganda-Plan wurde schließlich ein Jahr nach Herzls Tod vom
Kongress endgültig abgelehnt.
Nach dem stürmischen Kongress von 1903
setzte Herzl seine diplomatischen Bemühungen fort, im Januar 1904 reiste er
nach Italien, wo er König Vittorio Emanuele III. und Papst Pius X. traf. Im
Mai zog sich Herzl aus Gesundheitsgründen für einige Wochen nach Franzensbad
zurück. Bereits seit längerem hatte er Herzprobleme und musste immer wieder
Kuraufenthalte wahrnehmen. In einem Brief an David Wolffsohn, seinen
späteren Nachfolger, schrieb er: "Machet keine Dummheiten, während ich tot
bin."
Herzl starb am 3. Juli 1904 im Kurbad
Edlach an den Folgen einer Lungenentzündung, die sein angegriffenes Herz
nicht überstand.
In seinem letzten Willen schrieb Herzl:
"Ich wuensche das Leichenbegraebnis der aermsten Klasse, keine Reden und
keine Blumen. Ich wuensche in einem Metallsarge in der Gruft neben meinem
Vater beigesetzt zu werden und dort zu liegen, bis das juedische Volk meine
Leiche nach Palaestina ueberfuehrt". Er wurde 1904 am Friedhof Döbling bei
Wien bestattet, seine Gebeine schließlich 1949 nach Jerusalem überführt und
an dem nach ihm benannten Hügel bestattet.
Herzls Grab in Jerusalem
Benjamin Seev Herzl, wie der "Prophet des Staates" in Israel ausschließlich
genannt wird, wurde zu einem der wichtigsten Symbole des Staates. Sein Bild
wachte über der Unabhängigkeitserklärung durch David Ben-Gurion, der Herzl
Berg wurde zu einem der bedeutendsten Orte der Identifikation des jungen
Staates und dient auch heute noch als Kulisse bei den Feierlichkeiten des
Unabhängigkeitstages. Und jeder kennt seinen aus der Einleitung von
"Altneuland" entstammenden Ausspruch "Im tirzu, ejn so agada", "Wenn ihr
wollt ist es kein Märchen".
Text: A. Livnat
Der Judenstaat
Versuch einer modernen Lösung
der Judenfrage
[Deutsches
Original]
Vorrede
Einleitung
Allgemeiner Teil
Die Jewish
Company
Ortsgruppen
Society of
Jews und Judenstaat
Schlußwort
[Hebräische
Übersetzung]
Erschienen im Jahre 1896,
von Theodor Herzl, Doktor der Rechte
Berlin und Wien, M. Breitenstein's Verlags-Buchhandlung, Wien, IX
Altneuland
[Erstes
Buch - Ein gebildeter und verzweifelter junger Mann]
[Zweites Buch
-
Haifa 1923] [Drittes
Buch - Das blühende Land] [Viertes
Buch - Pesach] [Fünftes
Buch - Jerusalem]
Im Jahre 1902, zwei Jahre vor
seinem viel zu frühen Tod, sorgte Theodor (Binjamin S'ew) Herzl mit dem
Erscheinen eines "utopischen
Romans" für eine Überraschung. In der Einleitung schrieb er "Wenn
ihr wollt, ist es kein Märchen". Schon wenige Monate später erschien
das Buch auch auf hebräisch. Der Titel: "Tel-Awiw".
Weitere Texte
[Selbstbiographie]
[Eröffnungsrede zum
ersten Kongreß]
[Protestrabbiner]
[Mauschel]
[Die Menorah]
[Letzte Briefe an David
Wolffsohn]
[Ben-Ami: Erinnerungen an Theodor Herzl]
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10-05-07 |