David
Ben-Gurion:
Ansprache an die Nation am Shabbat, 15. Mai
1948
"Etwas Einzigartiges geschah gestern in
Israel und nur zukünftige Generationen werden dazu in der Lage sein, das
volle historische Gewicht der Ereignisse einzuschätzen. Es liegt nunmehr an
uns allen, indem wir aus einer Art von jüdischer Brüderlichkeit heraus
handeln, jede einzelne Unze unserer Kraft dazu einzusetzen, unseren Staat
Israel aufzubauen und zu verteidigen, der nach wie vor einem titanhaften
politischen wie militärischen Kampf ausgesetzt ist.
Jetzt ist nicht die Zeit, um zu prahlen. Was
immer wir erreicht haben, ist sowohl den Anstrengungen früherer Generationen
wie der unseren zu verdanken. Es ist auch das Ergebnis der
unerschütterlichen Treue zu unserem wertvollen Erbe, das Erbe einer kleinen
Nation, die viel erlitten hat, aber auch gleichzeitig wegen ihres Geistes,
Glaubens und Vision einen besonderen Platz in der Geschichte der Menschheit
errungen hat.
In diesem Augenblick wollen wir den drei
Generationen der Pioniere und Verteidigern in Liebe und Zuneigung gedenken,
die uns den Weg ebneten für weitere Errungenschaften, die Männer, die Mikve
Israel, Petah Tikva, Rishon LeZion, Zikhron Jacov und Rosh Pina gründeten
ebenso wie jene, die kürzlich neue Siedlungen in der Negev-Wüste und in den
Bergen des Gallil schufen, die Gründer von Hashomer und der jüdischen Legion
wie auch jene Männer, die gegenwärtig in harten Kämpfen von Dan bis
Beersheba verwickelt sind.
Viele von jenen, die ich eben erwähnt habe,
weilen nicht mehr unter uns, aber die Erinnerung an ihnen bleibt für immer
in unseren Herzen und in den Herzen des jüdischen Volkes.
Ich möchte nur einen großen Namen von jenen
erwähnen, die noch unter uns weilen. Unabhängig davon, ob er ein offizielles
Amt einnimmt oder ob wir seiner Meinung sind oder nicht, er ist und bleibt
eine führende Persönlichkeit; es gibt keine andere einzelne Person, die
soviel zu den politischen und Siedlungserrungenschaften der zionistischen
Bewegung beigetragen hat. Ich beziehe mich natürlich auf Dr. Chaim Weizmann.
Der Staat Israel ist gestern gegründet worden
und seine provisorische Regierung hat sich bereits an die Nationen der Welt
gewandt, kleine und große, im Osten wie im Westen, und wir haben unsere
Existenz verkündet und unseren Wunsch ausgedrückt, mit den Vereinten
Nationen im Interesse internationalen Friedens und Fortschritts
zusammenzuarbeiten. Wir sind inoffiziell davon unterrichtet worden, dass
einige Länder den Staat Israel bereits anerkannt haben. Die erste offizielle
Anerkennung kam von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika. Wir
hoffen, dass andere Nationen im Osten wie im Westen diesem Schritt bald
folgen werden. Wir stehen in dieser Sache mit den Mitgliedern der Vereinten
Nationen und den Vereinten Nationen selbst in Verbindung.
Aber wir sollten uns jedoch von dem Eindruck
nicht täuschen lassen, dass die formelle Anerkennung die Lösung all unserer
Probleme darstellen würde. Wir haben einen langen dornigen Weg vor uns. Am
Tag nach der Gründung des Staates Israel wurde Tel Aviv von ägyptischen
Flugzeugen bombardiert. Unsere Abwehrkanonen zwangen eine der Maschinen zur
Notlandung. Der Pilot ist unser Gefangener und die Maschine wurde dem
Arsenal unserer kleinen Luftwaffe hinzugefügt.
Wir haben auch Berichte erhalten, dass unser
Land vom Norden, Süden und Osten von den Armeen der angrenzenden arabischen
Staaten angegriffen wurde. Wir gehen sorgenvollen und gefährlichen Zeiten
entgegen. Die provisorische Regierung hat sich bereits beim Sicherheitsrat
wegen der Aggression beschwert, die von Mitgliedern der Vereinten Nationen
begangen wurde, darunter ein Alliierter von Großbritannien, Transjordanien.
Es ist unvorstellbar, dass der Sicherheitsrat diese Kriegshandlungen
ignorieren wird, die den Frieden, internationales Recht und UN-Beschlüsse
verletzen.
Aber wir dürfen nie vergessen, dass unsere
Sicherheit letzten Endes von unserer eigenen Stärke abhängt.
Es liegt in der Verantwortung von jedem
einzelnen von uns und in der Verantwortung jeder öffentlichen Einrichtung,
die geeigneten Abwehrmaßnahmen zu ergreifen wie zum Beispiel den Bau von
bombensicheren Bunkern und das Ausheben von Gräben etc. Wir müssen uns
besonders darauf konzentrieren, eine Armee aufzubauen, die dazu in der Lage
ist, feindliche Kräfte zurückzuschlagen und zu zerstören wo immer sich diese
auch aufhalten mögen.
Schließlich müssen wir uns darauf
vorbereiten, unsere Brüder und Schwestern aus allen Teilen der Diaspora
aufzunehmen. Von den Lagern in Zypern, Deutschland und Österreich ebenso wie
aus allen anderen Ländern, wo die Nachricht der Befreiung eingetroffen ist.
Wir werden sie mit offenen Armen empfangen und ihnen helfen, hier auf dem
Boden ihrer Heimat Wurzeln zu schlagen. Der Staat Israel ruft alle dazu auf,
seine Pflicht bei der Verteidigung, beim Aufbau und bei der Eingliederung
von Einwanderern zu erfüllen. Nur auf diese Weise können wir beweisen, dass
wir es verdienen, diese schicksalhaften Stunden zu erleben."
Quelle:
"Israels Beziehungen zum Ausland, Ausgewählte Dokumente, 1947-1974,
Außenministerium, Band 1, Jerusalem, 1976, Seiten 138-139."
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10-05-07 |