hebraeisch.israel-life.de / israel-tourismus.de / nahost-politik.de / zionismus.info
Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

 

Brith Schalom

Von Dr. Hugo Bergmann, Jerusalem
in: Parteien und Strömungen im Zionismus in Selbstdarstellungen
(Schriften zur Diskussion des Zionismus No. 5), Herausgegeben von der J.A. "Barissia" Prag, Prag 1931, S.10-12.

Der Brith Schalom wurde vor 5 Jahren von Dr. A. Ruppin begründet. Er sollte das Problem der jüdisch-arabi­schen Beziehungen erforschen und auf Mittel und Wege sinnen, das Verhältnis der beiden Völker zu einander zu verbessern. Er sollte Mitglieder aller zionistischen Parteien umfassen, welche bereit waren, die Formel "Palästina als jüdisch-arabisches Gemeinwesen" anzunehmen. Die künftige Konstitution Palästinas sollte so gebaut sein, dass das Zahlenverhältnis der beiden Völker keine Rolle spielen sollte und — gleich wie in der Schweiz und in Finnland — beide Völker ohne Rücksicht auf ihre Zahl als gleichberech­tigte Staatsvölker das Land bewohnen sollten. Der B. S. setzte sich damit von Anfang an in einen Gegensatz zur Zielsetzung einer jüdischen Mehrheit oder des Judenstaates in Palästina. Von seiner Gründung an verlangte der B. S. von der Zionistischen Organisation, dass sie aus freien Stücken für die Schaffung eines palästinensischen Parlaments eintreten sollte. Zur Zeit, als — lange vor den Unruhen — der B. S. in seinen Veröffentlichungen für das Parlament eintrat, wären zweifellos von den Arabern in Bezug auf die dem Zionismus lebensnotwendigen Forderungen — Ein­wanderung, Bodenerwerb, hebräische Sprache — alle wün­schenswerten Konzessionen zu erhalten gewesen, welche den ruhigen Fortgang der zionistischen Arbeit gewährleistet hät­ten. Aber die öffentliche zionistische Meinung ignorierte das Vorhandensein der Araber in Palästina und damit unsere Forderungen.

Mit den Unruhen des Sommers 1929 tat sich zwischen dem B. S. und der grossen Masse der Zionisten eine Kluft auf. Während die grosse Masse nach wie vor darauf drängte, den Zionismus mit englischer Hilfe auch gegen den Willen der Araber zu verwirklichen, verlangte der B. S. schleu­nigen Friedensschluss und Kooperation mit den Arabern. Während die jüdische Presse die arabische Nationalbewegung entweder als nicht vorhanden bezeichnete, sie in Anführungs­striche setzte, oder aber als eine Mache der arabischen Grossgrundbesitzer und reaktionären Effendis hinstellte, brachte  der  B. S. der arabischen Nationalbewegung die Sympathien entgegen, die, wie wir glauben, eine jüdische Freiheitsbewegung, sowohl als Freiheitsbewegung als ins­besondere als jüdische Bewegung, der Auferstehung eines unterdrückten Volkes, und hier insbesondere eines uns nach Rasse und Sprache verwandten, entgegen bringen musste. Die Literatur des B. S. entlarvte das Märchen von den Effendis als ein übles Mittel der Propaganda und zeigte, dass die arabische Nationalbewegung von denselben intel­lektuellen und bürgerlichen Schichten getragen wird, wie andere Nationialbewegungen, etwa die tschechische in der Mit­te des 19. Jahrhunderts. Wir traten sofort nach den Unruhen; während die anderen zionistischen Gruppen erklärten, sie setzten sich mit den Führern der arabischen Nationalbewegung nicht an einen Tisch, für eine arabisch-jüdische Kon­ferenz ein. Der B. S. reichte der Jewish Agency im Januar 1930 ein ausführliches Memorandum ein, welches die Grund­sätze einer arabischen Politik der Jewish Agency nieder­legte und insbesondere verlangte: Entwicklung der Selbst­verwaltung Palästinas, ökonomische und kulturelle Koopera­tion mit der Arabern. Das Memorandum enthielt für die Gebiete der Politik, der Wirtschaft und Erziehung ins De­tail ausgearbeitete Vorschläge. Es wurde mehrere Monate später ergänzt durch "praktische Vorschläge" für die Fra­gen des täglichen Lebens (Administration, Gesundheitswesen, Erlernung der Sprache des zweiten Volkes, Kenntnis seiner Kultur, Erforschung seiner Lebensverhältnisse etc.). Der B. S. trat insbesondere dafür ein, dass die jüdische Arbeiter­organisation jüdisch-arabische Gewerkschaften ins Leben rufe. (Die beiden Programme sind gekürzt abgedruckt in No. 4 und 6 des ersten Jahrgangs der Monatsschrift des B. S. "Scheifotenu" und auch englisch erschienen.)

Der B. S. ist positiv eingestellt zum Gedanken des Eintrittes Palästinas in eine grossarabische Föderation, vor­ausgesetzt, dass die Sonderstellung Palästinas als jüdisch­arabisches  Gemeinwesen gewahrt bleibt.

Der B. S. hat keine direkte Tätigkeit nach aussen ent­faltet. Er begnügte sich mit einer Propaganda innerhalb des Jischuw und der zionistischen Organisation. Er ist nur einmal nach aussen hervorgetreten. Als die Hinrichtung der zum Tode verurteilten Araber bevorstand, versuchte er zu­nächst, die offiziellen jüdischen Körperschaften dazu zu be­wegen, ein Gnadengesuch einzureichen. Aber diese Anstren­gungen blieben ohne Erfolg. Da wandte sich der B. S selbst mit einem Gnadengesuch an die Regierung. Die Folge war eine unerhörte Pressekampagne gegen den B. S., aber der Tag wird kommen, wo die Juden Palästinas sich auf dieses Gnadengesuch im politischen Kampfe berufen werden.

Dies scheint überhaupt eine wichtige politische Funktion des B. S. zu sein: Er ist der Blitzableiter des Zionismus. Die schmerzliche und doch notwendige Anpassung der zionistischen Bewegung an die neue Lage im vorderen Orient, welche durch die Erstarkung der arabischen Nationalbewe­gung bedingt ist, geht in der Weise vor sich, dass die zionistische öffentliche Meinung den B. S., der diese An­passung verlangt, als eine Organisation von Verrätern brand­markt, sein Programm mit aller Schärfe bekämpft, um es dann nach einem Jahre anzunehmen. So ging es mit dem Zweinationalitäten-Staat, so mit der arabisch-jüdischen Kon­ferenz, so wird es mit allen anderen Forderungen des B. S. gehen. Sein Programm muss Programm der zionistischen Bewegung werden, denn es gibt keine Verwirklichung des Zionismus, ausser im Frieden mit dem arabischen Volke. Dass freilich die Einsicht so spät kommt und die Erziehung der zionistischen Massen zu dieser Einsicht so langsam vor sich geht, ist vielleicht massenpsychologisch begreiflich, aber es kostet das jüdische Volk unerhörte Opfer an En­thusiasmus, Gut und Blut.

Noch eines an dieser Stelle. Eine Purimzeitung schreibt, der B. S. sei ein Geschenk der Prager Judenheit an Palästina. Das ist vielleicht nicht unrichtig. Im B. S. leben, glaube ich, die Gedanken weiter, die im "Prager" Zionismus (der aber nicht nur ein Prager war) viele Jahre
vor dem Kriege gedacht worden sind, und dann nochmals auf der Prager Konferenz des Hapoel Hazair im Jahre 1920 lebendig wurden, bevor der Geist des Zionismus ein Opfer der hohen Politik und des Parteienkampfes wurde: Die Gedanken von Hess, Achad Haam, A. D. Gordon, Mar­tin Buber.

Zurück zur Übersicht

hagalil.com 10-05-07

hagalil.com
Search haGalil
e-Postkarten


DE-Titel
US-Titel

Books

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved